Fehlurteile und ihre Ursachen

Der Dunkelziffer unentdeckter Sexualdelikte steht die Dunkelziffer unerkannter Fehlurteile im Sexualstrafrecht gegenüber. Die Gleichartigkeit der Fehlerquellen erkannter Fehlurteile zeigt jedoch, dass wir es allgemein nicht mit untypischen Einzelfällen und schon gar nicht mit unvermeidbaren Fehlleistungen zu tun haben. Das sollte uns zu denken geben!

Fehlurteile im Sexualstrafrecht bei Aussage gegen Aussage

Bis zu einem gewissen Grade sind Fehlurteile unserer Strafprozessordnung immanent. Ist einem Angeklagten die Tat nicht eindeutig nachzuweisen, so wird er freigesprochen – das vielleicht auch zu unrecht. In jeder freiheitlichen Rechtsordnung gilt der Zweifelssatz, sei es im Einzelfall auch unbefriedigend. Solche Fehlurteile zugunsten des Angeklagten sind verfassungsrechtlich bedingt, andererseits könnte nämlich jeder Angeklagte grundlos eingesperrt werden.

Insbesondere im Bereich des Sexualstrafrechts, in dem es sich meistens um „Vier-Augen-Delikte“ handelt, kann es daher zu Urteilen kommen, die dem tatsächlichen Geschehen nicht entsprechen. Eine böse Absicht dürfte nur im absoluten Einzelfall dahinter stecken.

Auch Richter sind fehlbar

Die Ursachen für Fehlurteile in der Justiz sind dabei vielfältig. Denn auch unter den Roben stecken nur Menschen, die sich denselben psychologischen Phänomenen wie kognitiver Dissonanz oder dem Inertia-Effekt gegenüber sehen, wie jeder andere auch.

Gerade im Sexualstrafrecht, wo es in den meisten Konstellationen entscheidend auf die Aussage des (vermeintlichen) Opfers ankommt, besteht bei einer rein intuitiven Beweiswürdigung die Gefahr falscher Ergebnisse. Häufig stehen sich hier die Aussage des Opfers und des Angeklagten unvereinbar gegenüber. Deshalb ist besondere Vorsicht geboten: Denn dass Tränen nicht lügen, ist ein verbreiteter Irrglaube.

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Unrecht im Namen des Volkes

Um einem Fehlurteil effektiv entgegenwirken zu können, ist es wichtig, zu verstehen, wie es überhaupt dazu kommen kann, dass ein Gericht eine falsche Entscheidung trifft.

Strafverteidiger Johann Schwenn hat in seinem Aufsatz „Fehlurteile und ihre Ursachen – die Wiederaufnahme im Verfahren wegen sexuellen Missbrauchs“, in: StV 2010, 705, die Hauptursachen für Fehlurteile im Sexualstrafrecht zusammengetragen. Sie beruhen auf Beispielsfällen aus seiner Verteidigung in spektakulären Wiederaufnahmeverfahren sowie der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.

Wie es zu einem Fehlurteil kommt, beschreibt auch Sabine Rückert sehr eindrucksvoll im Buch „Unrecht im Namen des Volkes: Ein Justizirrtum und seine Folgen“. Ein Lehrstück über Richter, die im blinden Glauben an die Behauptungen eines Opfers die Fakten verkennen.

10 häufige Gründe bzw. Ursachen für Fehlurteile im Sexualstrafrecht
  1. Falsch verstandener Opferschutz: Richter befürchten, das (vermeintliche) Opfer durch eine eingehende Vernehmung erneut zu viktimisieren.
  2. Vorsitzender entscheidet allein, welche Beweismittel genutzt werden sollen und vernimmt Verfahrensbeteiligte als erster. Er hat dafür zu sorgen, dass die Ergebnisse der mündlichen Hauptverhandlung gerichtsintern sorgfältig dokumentiert werden.
  3. Fehlerhafte Deutung psychischer Störungen: Symptome psychischer Erkrankungen (z.B. Borderline) werden als Folge der vermeintlichen Tat fehlinterpretiert und nicht als Ursache einer psychisch bedingten möglichen Falschaussage in Betracht gezogen.
  4. Sachverständige passen Gutachten (vielleicht unbewusst) an die Erwartungshaltung des Auftraggebers an; außerdem können sich die oft mittellosen Angeklagten keinen eigenen, unabhängigen Gutachter leisten.
  5. Die Gefahr, dass der Dezernent bei der Staatsanwaltschaft einseitig die Verfahrensrolle einer Partei übernimmt: Insbesondere bei weiblichen Dezernenten der Staatsanwaltschaft kann es zu einer Solidarisierung mit dem (vermeintlichen) Opfer kommen.
  6. Suggestion durch Beratungsstellen: Beratungsstellen empfehlen häufig fragwürdige Literatur, die Hinweise auf Realkennzeichen von Aussagen enthalten kann.
  7. „Einüben“ einer Opferrolle in der Therapie: Auch durch die Therapie kann Einfluss auf eine Aussage genommen werden.
  8. Kenntnis des Akteninhalts: Treten (angebliche) Opfer als Nebenkläger im Verfahren auf, so haben sie vielfach über die Nebenklagevertretung Kenntnis von Teilen der Akte, also auch der Dokumentation eigener Aussagen. Dies kann ein vermeintliches Opfer zur Sicherung der Aussagekontinuität nutzen.
  9. Versäumnis des Verteidigers, dem Gericht nahezulegen, ein aussagepsychologisches bzw. forensisch-psychiatrisches Gutachten einzuholen.
  10. Verständigung: Stellt man einen Angeklagten vor die Wahl, entweder eine mehrjährige Haftstrafe verbüßen zu müssen oder für ein falsches Geständnis eine Strafaussetzung zur Bewährung zu bekommen, wird er sich im Zweifel für die Lüge und das Leben in Freiheit entscheiden. Dies allerdings um den Preis eines Fehlurteils.

Professionelle und engagierte Verteidigung notwendig

In Sexualstrafsachen ist es besonders wichtig, auf einen spezialisierten Strafverteidiger zu setzen. Denn gerade in „Aussage gegen Aussage“-Konstellationen kommt es vor allem auf fundierte Kenntnisse in der Aussagepsychologie an. Ein erfahrener Strafverteidiger ist in der Lage, Fehlurteile zu verhindern und Falschbeschuldigungen ans Licht bringen.

Vertrauen Sie keinem Rechtsanwalt, der Ihnen weiszumachen versucht, man brauche im Ermittlungsverfahren nicht zu tun. Die (falschen) Vorwürfe ließen sich schon in der Hauptverhandlung aufklären. Diese Herangehensweise kann man kaum noch seriös nennen.

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